Preisverleihung 2014
Die Stunde der Stiftung
Autor: Jenny May
Die Stiftung zur Förderung von Schifffahrts- und Marinegeschichte prämierte zum ersten Mal in Berlin herausragende Forschungsleistungen
Die Stiftung zur Förderung der Schiffahrts- und Marinegeschichte vergab am 5. November 2014 in Berlin zum ersten Mal ihren Stiftungspreis. In Zukunft sollen mit dieser Preisverleihung herausragende wissenschaftliche, aktuelle und innovative Arbeiten der historischen Wissenschaft und Forschung zur Geschichte der Schifffahrt und Marinen in deutscher Sprache ausgezeichnet und honoriert werden.
Zur ersten Preisverleihung mit anschließendem Empfang in das Bankhaus Sal. Oppenheim in Berlin-Mitte kamen neben zahlreichen Gästen aus dem maritimen und wissenschaftlichen Umfeld ebenso die Gründer der Stiftung, die Eheleute Ute und Dietrich Redell.
Allen Anwesenden wurde „die Stunde der Stiftung“ ganz besonders bewusst als der ehemalige Marineoffizier der Crew I/43 und Vorsitzende der Stiftung freudestrahlend in seiner sehr persönlichen Ansprache an die anwesenden Gäste sagte: „Ich bin glücklich, dass ich nach meinem 90. Geburtstag, zwar spät, aber nicht zu spät, heute hier als Stifter mit meiner Frau dabei sein darf, wenn wir zum ersten Mal den Stiftungspreis vergeben.“
Aus den 24 Bewerbungen für den mit insgesamt 12.000 Euro dotierten Stiftungspreis im Jahr 2014 wählte die Jury eine Preisträgerin und zwei Preisträger aus. Die Verleihung der Preise nahm Stifterin Ute Redell vor.
Den ersten Preis erhielt die Rostocker Historikerin Franziska Cammin für ihre Dissertation über „Die Deutsche Seereederei als Staatsreederei der DDR – Die Handelsflotte zwischen staatlicher Kontrolle und Freiheit auf See“ für die die Historikerin zahlreiche Interviews mit Angestellten der ehemals staatlichen Reederei führte.
Den zweiten Platz verlieh die Jury Sebastian Diziol aus Hamburg für seine Dissertation „Deutsche, werdet Mitglied des Vaterlandes! Der Deutsche Flottenverein 1898-1934“. Den dritten Preis vergab die Jury an den Kölner Althistoriker Michael Kleu für seine Dissertation „Die Seepolitik Philipps V. von Makedonien (221-179)“.
Zuvor begrüßte André Nütz die Gäste. Er ist Portfoliomanager im Bankhaus Sal. Oppenheim, jenem Bankhaus, das das Stiftungsvermögen höchst möglich ertragreich anzulegen versucht. Woraus sich daraus jeweils im Zweijahresrhythmus die Ausschüttung für die Dotierung des Stiftungspreises ergibt.
Darüber hinaus sprach an jenem Abend Stephan George vom Bankhaus Sal. Oppenheim über das Thema „Banken als Dienstleister für Stiftungen“ zu den Gästen. Und Prof. Dr. Wolfgang Reinhard aus Freiburg hielt einen Vortrag über „Europas Expansion als maritimer Prozess“. Wobei die erste Preisverleihung der Stiftung feierlich mit klassischer Musik von Händel, Vivaldi und Mozart untermalt wurde.
Der wissenschaftliche Beirat der Stiftung bildet zugleich die fünfköpfige Jury, die die Preisträger im Zweijahresturnus nominiert. Sprecher dieser Jury ist Prof. Dr. Jürgen Elvert. Elvert ist Inhaber des Jean-Monnet-Lehrstuhls für Europäische Geschichte am Historischen Institut der Universität zu Köln sowie Senior Fellow des Zentrums für Europäische Integrationsforschung, Bonn. In seiner Rede würdigte er die drei Preisträger und ihre Dissertationen.
Die weiteren Mitglieder der Jury sind Prof. Dr. Michael Epkenhans, Leitender Wissenschaftler des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) und Apl. Professor für Neuere Geschichte an der Universität Hamburg sowie Lehrbeauftragter an der Universität Potsdam, KptzS Dr. Jörg Hillmann, zurzeit Capability Manager in der Europäischen Verteidigungsagentur in Brüssel, Prof. Dr. Sönke Neitzel, Inhaber des Lehrstuhl für International History an der London School of Economics and Political Scienceund sowie Prof. Dr. Markus A. Denzel, Inhaber des Lehrstuhls für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte am Historischen Seminar der Universität Leipzig.
Der Beirat berät den Vorstand der Stiftung bei der Durchführung der Stiftungsaufgaben, vor allem bei der Vergabe der Fördermittel. Er ist inhaltlich verantwortlich für die Teilnahmebedingungen zur Ausrichtung eines Wettbewerbs sowie die Auswahl des bzw. der jeweiligen Preisträger. Auf Vorschlag des Beirats können für Arbeiten, die keinen Preis erhalten, jedoch förderungswürdig sind, Druckkostenzuschüsse gewährt werden.
Im Jahr 2013 hatten Ute und Dietrich Redell die Stiftung mit dem Zweck gegründet, deutschsprachige Arbeiten aus dem Bereich der Geschichts- und Kulturwissenschaften und vergleichbaren Disziplinen zur Geschichte der Schifffahrt und Marinen zu würdigen. Beide sind der Überzeugung, dass insbesondere die Historie der Seefahrt und Marinen zu fördern sind. Das Ehepaar möcht auf diese Art zur öffentlichen Diskussion und Bewusstseinsbildung über die Bedeutung von Schifffahrt und Marinen in gesamtgeschichtlichen Zusammenhängen beitragen. Wünschenswert wäre ihnen darüber hinaus, wenn die Ergebnisse ebenso neue Betrachtungsweisen liefern und somit zu einem besseren gegenseitigen Verständnis der beteiligten Nationen führen würden.
Die Stiftung ist selbstlos tätig. Sie ist berechtigt, jedoch nicht verpflichtet, Zuwendungen anzunehmen. Der Vorstand besteht aus drei Personen: dem Vorsitzenden, Dietrich Redell , dem stellvertretenden Vorsitzenden, KAdm a.D. Dr. Sigurd Hess sowie dem Finanzvorstand, Herrn André Nütz.
Die Arbeiten sollen jeweils selbstständig eingereicht werden, dazu zählen u.a. archivgestützte Magister- und Masterarbeiten, Dissertationen, Habilitationen oder auch Sachbücher. Preise werden für die besten eingereichten wissenschaftlichen Arbeiten vergeben, die im vergangenen Zweijahreszeitraum abgeschlossen wurden.
Die nächste Preisverleihung findet 2016 wiederum in Berlin statt, dem Sitz der Stiftung und dem Wohnort von Ute und Dietrich Redell, den Stiftern. Für sie und für alle Beteiligten und Gäste war es die erste Preisverleihung der Stiftung zur Förderung von Schifffahrts- und Marinegeschichte, die sich zwischen feierlichen, ehrwürdigen und heiteren Momenten während der Reden und der persönlichen Gespräche beim anschließenden Empfang beschreiben lässt.
Preisträger 2014
1. Preis: Dr. Franziska Cammin, Rostock
Die Arbeit behandelt die Entwicklung der DSR in den Jahren zwischen der Gründung 1952 und der Privatisierung 1992. Hierbei liegt das Hauptaugenmerk auf der Flottenentwicklung und den strukturellen Veränderungen, die – zumeist politisch initiiert und weniger organisch gewachsen – das Bild der DDR-Handelsflotte prägten.
Daran wird der Einfluss verschiedener staatlicher Organe auf die Entwicklung und die Arbeit der DSR aufgezeigt, etwa der Ausbau der Linienschifffahrt als Ausdruck von politischen und wirtschaftlichen Verbindungen oder die Entwicklung der landseitigen Einrichtungen und Werkstätten als Ausgleich für fehlende Dienstleistungsinfrastruktur der DDR. Die Bemühungen der Reederei im Spannungsfeld zwischen Planwirtschaft und freiem Weltmarkt den wirtschaftlichen Ansprüchen der DDR gerecht zu werden zeigen sich sowohl beim Flotten- und Linienausbau als auch Einführungen von neuen Technologien, etwa der Containerschifffahrt.
Der Einfluss der Bezirks- und Kreisleitungen der SED wird anhand des Ausbaus der politischen Abteilung der DSR und der Seeverkehrswirtschaft sowie deren Wirken auf verschiedene Ebenen der Reederei dargelegt.
Der Überwachung der Reederei und ihrer Mitarbeiter durch das Ministerium für Staatssicherheit wird besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Auch hier wird das Spektrum der Eingriffe durch verschiedene Beispiele verdeutlicht. Neben der systematischen Überwachung der Mitarbeiter versuchte das MfS auch durch den Einsatz von schifffahrtsbezogenen Satellitensystemen Informationen über ausländische Schiffe zu erhalten und sicherte als „Sondertransporte“ oder „Solidaritätslieferungen“ getarnte Militärtransporte gegen feindliche Übergriffe ab. Mit dem vielfältigen Einsatz von offiziellen und inoffiziellen Mitarbeitern stellt das MfS die staatliche Institution mit dem größten Einfluss auf die DDR-Handelsflotte und ihre Mitarbeiter dar.
2. Preis: Sebastian Diziol, Kiel
Die Arbeit von Sebastian Diziol stellt die erste umfassende, quellennahe Analyse des Deutschen Flottenvereins von 1898 bis 1934 dar, dem größten nationalen Propagandaverein im Wilhelminischen Kaiserreich. Im Mittelpunkt dieser kulturgeschichtlichen Untersuchung, die weit über eine reine Organisationsgeschichte hinausgeht, stehen die Fragen nach politischen Mentalitäten und nationaler Symbolik, Partizipationsmöglichkeiten Einzelner sowie Kontinuitäten über historische Zäsuren hinweg. Sie analysiert erstmals die Inhalte, Formen und Auswirkungen des Navalismus im wilhelminischen Bürgertum, der hier analog zum Militarismus als mentales Phänomen verstanden wird.
In einem diskursiven, nicht von der Leitung gesteuerten Prozess innerhalb des Vereins entstand ein Ideensystem, das kontinuierlich von der Vereinspropaganda verbreitet wurde und aus den Symbolen „Flotte“, „Kaiser“, „Weltpolitik“, „Flagge“, „blaue Jungs“, „See“ und „Auslandsdeutsche“ bestand. Überzeugender als andere zeitgenössischen Integrationsangebote bildeten sie die Legitimation für den „Platz an der Sonne“ und die Expansion nach Übersee, waren dezidiert auf eine Zukunft des Reichs als maritime Weltmacht ausgerichtet.
Zudem wird ausführlich die regionale und lokale Vereinsebene analysiert, wodurch die Partizipation der „einfachen“ Mitglieder an der Herausbildung dieses Gedankensystems deutlich gemacht werden kann. Dabei wird zugleich die „Gender-Dimension“ des Flottenvereins in den Blick genommen: Welche Mitwirkungsmöglichkeiten boten sich Frauen, welches Bild von Männlichkeit und Weiblichkeit vermittelte der Verein?
Durch die Ausweitung des Untersuchungszeitraums bis zur Auflösung 1934 kann gezeigt werden, wie der mental noch im Kaiserreich verwurzelte Flottenverein unter den radikal veränderten Verhältnissen nach 1919 massiv an Bedeutung verlor und wie er – größtenteils vergeblich – versuchte, weiterhin zugkräftige Propagandathemen zu besetzen.
Sebastian Diziol: „Deutsche, werdet Mitglieder des Vaterlandes!“ Der Deutsche Flottenverein 1898-1934. 2 Bände. Kiel, Solivagus Praeteritum 2015.
Hardcover, 864 Seiten, 18 Abbildungen
ISBN: 978-3-9817073-0-8
erscheint im Januar 2015
3. Preis: Michael Kleu, Köln
Philipp V. von Makedonien (221-179) entstammte einer Dynastie, deren Geschichte auf das Engste mit dem Meer verbunden war. So kontrollierten die ersten beiden Antigoniden während der nach dem Tod Alexanders des Großen (323) ausgebrochenen Diadochenkriege die Ägäis und teilweise sogar das gesamte östliche Mittelmeer. In der Folge sollte die Bedeutung antigonidischer Seemacht jedoch kontinuierlich abnehmen, sodass sich Makedonien, das an Ressourcen für den Schiffbau so reich war wie kaum eine andere Region der damals bekannten Welt, erst unter Philipp V. wieder in der Lage zeigte, eine wirkungsvolle Seepolitik zu betreiben.
Bereits im innergriechischen Bundesgenossenkrieg (220-217) hatte der Antigonide erste Erfolge mit seiner Flotte feiern können, bevor ihm die Römer im Ersten Makedonischen Krieg (215-205) zur See seine Grenzen aufzeigten. In den kommenden Jahren rüstete er schließlich eine Flotte aus, die es ihm 201/200 ermöglichte, ein Ägäisreich zu errichten, das an die großen Zeiten seiner Dynastie erinnerte, jedoch bereits im Zweiten Makedonischen Krieg (200-196) von den Römern wieder zerschlagen werden sollte. Von dauerhafter Wirkung erwies sich hingegen die strategische Entscheidung Philipps, die kleinen und wendigen illyrischen Lemboi in seine Seeverbände zu integrieren, womit er den Anfang vom Ende der aus größeren Schiffen bestehenden Kriegsflotten einläutete.
Im Rahmen dieses historischen Kontexts zeichnet die Arbeit auf literarischer, epigraphischer und numismatischer Grundlage die seepolitischen Maßnahmen Philipps V. nach, wobei die genaue Zusammensetzung der jeweiligen Flotten sowie die Kontrolle über seestrategisch bedeutsame Positionen im Vordergrund stehen. In einem methodischen Teil wird die Finanzierung dieser Seepolitik untersucht, bevor letztere im Fazit in die Traditionslinien der Vorgänger Philipps eingeordnet wird.